Überraschung

Mein BLOG "Sinnkonfigurationen" war für mich und etwaige Leser zu erreichen unter 
http://luhmannius-Differenztheorie.blogspot.com (luhmannius),
und dazu hatte ich bei GOOGLE einen zweiten BLOG der erschien unter der Adresse:
http://Unterschiede-unterscheiden.blogspot.com (Berliner).
Ohne mit mir Rücksprache zu nehmen, (nachdem ich mich bei GOOGLE+ eingetragen hatte, erhielt ich dort den Namen
sanderrudik mit dem E-Mail-Zusatz @googlemail.com, und das hat zur Folge, dass Google BEIDE BLOGS unter diesem neuen Anmeldenamen zusammenfasste, was aber dazu führte, dass für mich der BLOG "Sinnkonfigurationen" nicht mehr erreichbar wurde. Ein unter http://luhmannius-Differenztheorie.blogspot.com geschriebenes Gedicht erschien einfach bei dem zweiten BLOG, also unter http://Unterschiede-unterscheiden.blogspot.com .


Das brachte mich in Rage, und ich habe im zweiten BLOG ALLES gelöscht, darunter sieben Kapitel eines bislang unveröffentlichten Romans mit dem Titel "Berlin Friedrichshain". Dann bin ich auch bei GOOGLE+ ausgestiegen und habe dort alles löschen lassen. Und siehe da: auf einmal habe ich unter meiner ALTEN Anmelde-E-Mail wieder Zugang zum ersten BLOG und schreibe jetzt hier diesen Versuchstext.
(Rudi K. Sander, Bad Schwalbach, am 08. Juni 2012)

Ein Jubiläumstext

Einhalt und Ausblick


Zwanzig Jahre sind im Maß der Zeiten
Eine lange Strecke des aktiven Tuns.
Zwanzig Jahre sind für den, der plant,
Eine dunkelhelle Zukunft, die man nicht begreift.
Eine Zukunft aber, die es zu begreifen galt,
Als zwei lebensfrohe Damen voller Mut und Geist,
Keck entschlossen, einen großen Coup zu wagen.


Beide kamen aus der Welt der Bücher,
Beide hatten ihren Part gelernt,
Beide waren, Schwestern gleich, entschlossen,
Sich ein Haus voll schöner Geister
Für ein kleines Lebenswerk zu schaffen,
Drin sie, ganz nach ihren holden Maßen,
Waltend schalten konnten und gestalten,
Was sie selber, kunstfroh, sich erhofften.


Frisch gewagt und nicht nur halb gewonnen
Schufen sie, für sich und uns, ein helles
Offnes Haus der Bücher und des Lebens.
Freundlich, heiter, stets geduldig, immer
Für ein Raten und Beraten offen,
Wurde ihr Geschäft gepflegt, gekonnt
Ein Treff- und Mittelpunkt für alle, 
Die es zu den Büchern hinzog, suchend.


Manchen gab's, der täglich sie besuchte,
Oder mindest einmal in der Woche sicher
Dieses Lebensgeisterreich betrat, hoffend,
Sich für eine kurze Pause frei
Zu fühlen aller Last und Plagen,
Die der Alltag jedem zubereitet,
Um sich am gedruckten Wort zu laben,
Wie an einer guten Götterspeise.


Zwanzig Jahre sind auf diese Weise
Eilig zwar, doch auch bedächtig, lebensnah
Ins Hessenland gegangen, da erhebt
Der Gott des Wandels, alles Gleichmaß brechend,
Keck sein Haupt und mahn in guter Absicht,
Einmal noch und einmal wieder
Etwas Neues zu gestalten und zu wagen,
Neues Leben neue Chance zu geben.


So soll dieser runde Feiertag
Beides sein, und beides freudig:
Einhalt, um zurück zu schauen,
Was im Leben Frau geleistet,
Sich und anderen zum Nutzen.
Eine geht und hegt nun andre Träume,
Und ihr Aufbruch ist für uns ein Anlass,
Ihr zu danken und ihr Glück zu wünschen.


Ihre Bücherschwester aber, uns zur Freude,
Sie pflügt weiter auf vertrautem Acker,
Sie wird weiter unsre Wünsche pflegen,
Und sie bleibt auch nicht alleine
Herrin all der schönen Bücherschätze,
Die uns weiterhin beglücken werden:
Eine neue Kennerin gedruckter Geister
Wird nun künftig ihren Alltag teilen.


So bleibt uns, den treuen Kunden,
Dankbar, nur das Glas zu heben
Und mit hellem Klang und guten
Wünschen anzustossen auf die Zukunft
Einer Damentrias, die sich vorgenommen,
Das Bewährte weiterhin zu pflegen
Als der Kundschaft süssen Lebenstrost:
Weiter so, Ihr Damen, Dank und Prost!


(Rudi K. Sander gratuliert als ein dankbarer
ewiger Kunde den Damen Barbara von Kahlen,
Heike Leneke und Cornelia Gros zu diesem
20jährigem Geschäftsjubiläum im schönen
Kurort Bad Schwalbach)





Unterschiede-unterscheiden: Sozialverbrechen

Unterschiede-unterscheiden: Sozialverbrechen: Jede Epoche hat ihre charakteristische, auch verräterische Signatur: Zwar durchzieht der Machtwillen der Mächtigen alle Zeitalter, doch es z...

Niemand hat alles

Weber war immer auf sich selbst gestellt gewesen. Er wusste das, hatte es verinnerlicht. Er wusste auch, nicht wie andere zu sein, obgleich er herzlich gerne wie sie gewesen wäre. Weber war zwar nicht ausgesprochen musikalisch, doch nach Harmonie sehnte er sich immer. Weber war seinem innersten Wesen nach Lehrer und Vermittler. Er selber lernte für sein Leben gern. Nur nicht dumm sterben, war eine seiner Maximen. Dabei hatte er längst begriffen, wie wenig es im Grunde zu lernen gab. Der auf die Welt gekommene Mensch ist zunächst hilflos, das stimmt, doch es sind ja fast immer andere da, die ihn nicht verkommen lassen. Wer kein Baby mehr ist, hat diese Erfahrung gemacht: mehr, als von Anbeginn in einem steckt, kann auch kein Lehrer und keine Lehre in einen hinein treiben. Der einzelne Mensch ist eine Monade, insoweit hat Leibniz vollkommen recht.


Das  erste und einzige, was man wirklich lernt, ist sprechen. Saugen, und später dann essen und Trinken, das kann ein jeder instinktiv, wie das sich entleeren auch. Da gibt es nichts zu begreifen, folglich ist da auch kein Grund gegeben, hierüber zu reden. Nur mit seinem Arzt redet man darüber, falls einmal etwas nicht auf natürliche Weise klappt. Und  die einmal gelernte Sprache ist auch das Einzige, was man als Mensch wirklich besitzt. Daher auch der Respekt, den jeder vernünftige Mensch vor der Macht und Ohnmacht der Sprache hat. Es ist einer der traurigsten Sätze, die einem begegnen können, wenn man lesen muss, das Gesagte sei allemal das Gemeinte schon nicht mehr. Wenn man dann stutzt und verzagen möchte, kann einem nur der andere Satz des gleichen Mannes trösten, der da lautet, alles Gesagte könne allemal auch anders gesagt werden. Wenn einem ein Anfang entgleitet, fange man einfach noch einmal an. Gerade der Harmoniesüchtige weiss es ja, der Ton macht die Musik. Wie es gilt, stets den richtigen Ton zu finden, so wichtig ist es beim Sprechen und Schreiben, mit dem rechten Anfang anzufangen.


Die Leute sagen es oder der Volksmund weiss es, jeder Mensch hat eine Mutter. Für das Faktum der Geburt mag dies zutreffen. Für die erzählbare Lebensgeschichte eines jeden aber noch lange nicht. Weber zum Beispiel hatte nur die Mutter seiner Mutter als Mutter. Weber war so hieran gewöhnt, dass es ihm nie beikam, an dieser Tatsache etwas zu vermissen. Webers Mutter hatte gute Gründe, ihn mit drei Jahren bei ihrer Mutter zur Pflege und Aufzucht zurückzulassen. Daran kann Weber sich aber nicht erinnern, man hat es ihm später erzählt. Wenn Weber, als Kind, an seine Mutter dachte, war es immer ein Denken an einem Besuch, also an etwas Kurzzeitiges und Vorübergehendes. Mutter war für Weber also kein Wort oder Begriff für Dauer und Geborgenheit. Für Weber, als er dann ungefähr zehn Jahre alt war, bedeutete Mutter soviel wie Sonntag, jemanden Besuchen und dort sich wohlverhalten und sich auch rechtfertigen müssen. Unter solchen Kautelen wird der Mutterbegriff seltsam flach und sozusagen zweidimensional.


Webers Grossmutter hingegen war für Weber der Inbegriff für Macht, Wärme, Können und Lebensfülle. Diese Frau strotzte von all dem. Gesprochen aber hat sie in den sechzehn Jahren, die er bei ihr und mit ihr zusammenleben durfte und musste, herzlich wenig. Dennoch war Weber sich stets sicher, sie immer gut verstanden zu haben. Sie selber hatte als Kind bei ihren Eltern in Rogätz, Kreis Wollmirstedt bei Magdeburg das mitteldeutsche Platt der Magdeburger Börde gelernt, hatte aber diese ihre angeborene Mundart als eine Berliner Marktfrau und Obsthändlersche vollkommen verdrängt und vergessen. Sie sprach tatsächlich, wenn sie mal sprach, wie ein Berliner Marktweib. Sie sprach aber immer, wie sie dachte, klar und unmissverständlich. Weber, als Kind, parierte ihr aufs Wort, genauer: auf einen jeden Blick. 


Sprechen gelernt hatte Weber also wohl eher in den drei Jahren, solange seine leibliche Mutter noch bei ihrer Mutter mit dem Kind Weber als die Tochter lebte. Webers Mutter hatte fünf Geschwister, eine zehn Jahre ältere Schwester und - dazwischen - vier Brüder. Sie selber war die jüngste von Grossmutter Webers sechs Kindern. Als Weber unehelich auf die Welt kam, waren die anderen Fünf aber längst aus dem Elternhaus entkommen und hatten sich selbständig gemacht, ein jeder auf seine eigene mehr oder weniger beschränkte Weise. Webers Mutter hatte wie alle ihre Geschwister das gleiche Bestreben: nichts wie weg von der geradezu männlichen Strenge ihrer Mutter, wenn man ihren späteren Erzählungen Glauben schenken darf. Aber was die Gründe und Abgründe der Familie Weber anbetraf, hatte Weber schliesslich nicht viel mehr als die späteren Erzählungen seiner Mutter, wenn er sie des sonntags für ein paar Stunden besuchte. Und einer ihrer bemerkenswerten Sätze war dann, seltsam, zu dir ist sie ganz anders und viel netter und liebevoller, als sie jemals zu uns allen gewesen war. Hierüber war Weber immer wieder verwundert, denn er liebte seine Grossmutter, so unzugänglich sie auch stets gewesen war, denn sie hatte ihn verwöhnt und niemals geschlagen. 


Wie bereits gesagt, als Weber drei Jahre alt war, lernte seine Mutter als Platzanweiserin in einem der letzten Berliner Stummfilmkinos, im Filmpalast in der Kleinen Frankfurter Strasse, einen Geiger kennen, der dort mit einer ihm ergebenen Musikerschar die passende Musik zu den Stummfilmen machte, die zweimal die Woche wechselten. Obwohl dieser Geiger, er hiess Bruno, also ein von Noten überhäufter Mann war, vom Nachmittag bis in die späte Nacht hinein schwer beschäftigt, hatte er Webers Mutter doch ein Kind gemacht, und dieses zweite Kind war dann - indirekt - der Anlass, dass Webers Mutter zu Hause ausziehen musste. Der Geiger, ein vielseitiges Talent, er war in seiner Freizeit auch Segler und Boxer, er war aber - aus der Sicht von Webers Grossmutter - leider auch SA-Mann. Und als einmal Webers Mutter ihrem Jüngsten etwas Zucker in die Milchflasche tun wollte, sie war schlank und zart wollte nicht allzu lange stillen, da brummte ihre Mutter heftig und deftig, für det Nazijör sei ihr der eigene Zucker zu schade. Man muss dazu wissen, sie selber war, als Kassiererin für die Rote Hilfe, aktive Kommunistin. Der geigende Nazi, der aber aus einer wohlsituierten Berliner Musikerfamilie stammte, war auch sonst ein Ehrenmann: er heiratete Webers Mutter nach der Geburt ihres zweiten Sohnes vom Fleck weg und er wollte auch ihr erstes Kind adoptieren, doch Webers Oma war entschieden dagegen. Überliefert ist ihr Diktum, det Jör kricht der Nazi nich! Auf diese Weise hatte der Satz der Leute, jedermann habe schliesslich eine Mutter, für Weber doch immer eine stark relativierte Bedeutung.